Der Raubmörder Grasel. Und der Rest der Familie.

Historisches über Grasel

 

 

Am 7. November 1815 wurde folgende Personenbeschreibung in NÖ veröffentlicht, um den berüchtigten “Räuberhauptmann” des Waldviertels und Südböhmens zu ergreifen:

 

Gesucht wird:

Johann Georg Grasel – Schinder und Räuberhauptmann

alias Haller, Frey, Schönau, Eigner, Kohl, der große Georg, der große Hansjörg

 

Alter: 25 Jahre

Größe: 5 Schuh und 6 Zoll

Statur: schlank

Gesicht: blass, blatternarbig

Haare: dunkelbraun

Augen: grau

 

Weitere Merkmale:

sehr kühn, unternehmend, stark und gewandt, unter fremden Leuten aufgeweckt und fröhlich, liebt insbesondere die Frauenzimmer und den Tanz, unter seinen Raubgenossen äußerst streng, bei Einbrüchen durch Mauern, Türen und Schlösser aller Art sehr geschickt, hat großen Mut, kann weder lesen noch schreiben, hat aber einen sehr guten Kopf und vergisst nicht leicht etwas, trägt gewöhnlich Pistolen, Terzerole (kleine Vorderladerpistolen), Messer und Stilett (Stichwaffe) bei sich, hält sich meist in Wäldern und Wasenmeistereien auf. Wer ihn fängt und bei der Polizei abliefert, erhält als Belohnung 4.000 Gulden.

 

Quelle: bmi.gv.at

 

 

Wie wurde aus Grasel der berüchtigte Raubmörder?

 

In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts – mitten in den napoleonischen Kriegen – herrschten Inflation, Hunger und Elend. In diesen Wirren war es für Verbrecher wie Grasel möglich, jahrelang unbehelligt ihr Unwesen treiben zu können. Auch das System der Justiz zu dieser Zeit begünstigte die Kriminalität. Das änderte sich im Jahr 1815, als von nun an der Wiener Magistrat für Grasel und seine Festnahme zuständig war.

 

Johann Georg Grasel, tschechisch Jan Jirzi Grazl, stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Sein Vater Thomas war Abdeckerknecht (Schinder) und auch seine Mutter Regina kam aus einer Abdeckerfamilie. Grasels Großeltern führten ebenso ein Leben in Armut und Not, was sie durch Betteleien und Diebereien aufzubessern versuchten. Im selben Jahr, als Grasels Schwester Anna Maria zur Welt kam, wurde der Vater wegen zahlreicher Einbruchsdiebstähle zu 10 Jahren Kerker verurteilt. Nun ging die Mutter auf Betteltouren. Nach zwei Jahren floh Vater Grasel aus dem Gefängnis und setzte seine Diebereien fort. Der kleine Jörgl wurde bereits im Alter von neun Jahren wegen Verdacht des Diebstahls inhaftiert. Wenige Jahre später wurde auch die Mutter verhaftet und die beiden Kinder wurden zu Verwandten abgeschoben. Dort ging das Bettlerleben weiter. Nach einem größeren Raub wurde der alte Grasel erneut verhaftet und musste nun die restlichen drei Jahre seiner Gefängnisstrafe absitzen. Nach seiner Entlassung begann die „Lehrzeit“ des jungen Grasel. Ab 1810 ging er erstmals ohne seinen Vater, aber mit diversen Kumpanen, auf Diebstour. So entwickelte sich der Mythos, dass er gleichzeitig an verschiedenen Orten sein konnte. Zwischendurch versuchte er sich kurze Zeit in ehrlicher Arbeit als Bauernknecht.1812 wurde Jörgl wegen Mordes verhaftet und gefangengenommen. Bald gelang ihm wieder die Flucht und er konnte seine Raubzüge fortsetzen. Als seine Schwester 1813 ein Kind zur Welt brachte, wurde sie von ihm unterstützt. 1815 gebar ihm seine Geliebte Rosalia, genannt Salerl, einen Sohn. Im selben Jahr wurde eine Prämie für die Ergreifung Grasels ausgesetzt. Nun konnte er sich kaum mehr verstecken. Er meldete sich unter falschem Namen als Soldat, desertierte aber bereits nach sechs Wochen. Durch den erfolgreichen Plan des Justitiars von Drosendorf, Franz Schopf, und des Beauftragten des Wiener Polizeiministers, David Mayer aus Brünn, konnte Grasel in Mörtersdorf überwältigt werden, bevor er sich nach Schlesien absetzen konnte. Er wurde nach Horn in den Arrest verbracht und anschließend nach Wien abtransportiert. Im späteren Prozess gestand er 205 Schandtaten. Als Entschuldigung führte er immer wieder an, dass ihn sein Vater zum Rauben angehalten hat, statt ihn ordentlich zu erziehen. Am 31. Jänner 1818 um 8 Uhr wurden Grasel und seine drei alten Kumpane beim Neutor in Wien gehenkt. Seine letzten Worte waren: „Jessas, so vü Leit!“

 

 

Was ist ein Schinder?

 

Schinder, Abdecker, Abstreifer, Freimann, Wasenmeister oder Wasenmetzger – so bezeichnete man jahrhundertelang jene Leute, die in einem bestimmten Gebiet für die Beseitigung von Tierkadavern und Tierkörperverwertung zuständig waren. Ihre Gehilfen nannte man Schinderknechte. Wichtigste Produkte der Kadaververwertung waren Fette (Unschlitt), Knochenmehl, Leim und Seife. Die Tierhaut wurde vom Abdecker meist als Lohn einbehalten. Andere Aufgaben waren das Einfangen von herrenlosen Hunden oder das Begraben von Selbstmördern. Ebenso arbeiteten Scharfrichter als Abdecker, oft waren sie auch Pächter oder Besitzer einer Abdeckerei. Beide Berufe galten als anrüchig oder unehrenhaft. So wohnte der Abdecker mit seiner Familie außerhalb des Ortes und hatte im Wirtshaus einen eigenen Sitzplatz und Trinkkrug. Für gewöhnlich heirateten Abdecker auch innerhalb ihres Standes. Man darf aber nicht vergessen, dass sie eine wichtige Funktion bei der Tierkörperverwertung hatten, um Krankheiten und Seuchen zu verhindern. Die Rabengasse in Wien hat ihren Namen von den Raben, die vom Gestank der verwesenden Tiere bei den Behausungen des “Freimanngesindels” angelockt wurden. Auch am Rande unseres Ortes soll sogar noch ein ehemaliges Abdeckerhäusl stehen ...

 

 

Wo hat sich Grasel herumgetrieben?

 

Grasel unternahm seine Raubzüge im Weinviertel, Waldviertel und jenseits der heutigen tschechischen Grenze in den historischen Ländern Böhmen, Mähren und Schlesien. Er soll auch in unserer Gegend (z.B. in Zellhof oder St. Thomas) aufgetaucht sein, was allerdings nicht belegt ist.

 

 

Einige Orte, die aktenkundig sind und im Theaterstück vorkommen

 

Johann Georg Grasel wurde am 4. April 1790 in Neu-Serowitz (Nove Syrovica) geboren. Er raubte und/oder mordete u. a. in Mannsberg (Mansberk), Modes (Matejovec), Fratting (Vratenin) und Lettowitz (Lettovice). Auch in den nö. Orten Drosendorf, Hollabrunn, Horn, Obergrünbach, Schwarzenau und Wiesmaden hat er seine Spuren hinterlassen. In einem Wirtshaus in Mörtersdorf (heute Graselwirtin) wurde er schließlich gestellt und festgenommen. Am 31. Jänner 1818 wurde er vor dem Neutor in Wien öffentlich hingerichtet. Auch die beiden “Kameraden” Grasels, Jakob Fähding (“Gams”) und Ignaz Stangl (“Nazl”, auch “der schöne Nazl”) wurden mit dem Strang hingerichtet. Der Grasel-Mythos hat bis in die heutige Zeit überlebt…

 

 

Räuberische Zeitgenossen Grasels

 

Im Grenzgebiet von Niederösterreich, Burgenland und Steiermark (damals Westungarn) waren die sogenannten “Stradafüßler” (auch “Stradafisler”) unterwegs. Das waren Landstreicher, also Leute unsteten Aufenthalts, die mit Betteleien und Diebereien ihren Lebensunterhalt bestritten und die Bevölkerung terrorisierten. In Kärnten weiß man vom Räuberhauptmann Simon Kramer, genannt “Krapfenbäck Simale”, zu berichten. Und in Deutschland trieb der berüchtigte Johannes Bückler, bekannt als “Schinderhannes”, sein Unwesen. Allen diesen berüchtigten Gesellen wurden zahlreiche Straftaten, wie Diebstähle, Raubüberfälle, Erpressungen, Vergewaltigungen und Bluttaten, angelastet. Die Beute bestand meist aus wenig Bargeld, geringwertigen Gegenständen, Kleidung und Lebensmitteln. Der “Schinderhannes” wurde 1803 geköpft. Simon Kramer wurde 1809 bei seiner Festnahme erschossen.

 

 

Gab es damals eine Polizei?

 

1775 wurde unter Maria Theresia eine Militär-Polizeiwache aufgestellt. Diese hatte für Ruhe und Ordnung auf den Straßen zu sorgen, Gesetzesübertretungen anzuzeigen und Festnahmen vorzunehmen. Nach der Gründung der k. k. Sicherheitswache im Jahr 1869 wurde die Militär-Polizeiwache aufgelöst.

 

 

Wie stand es um die Gerichtsbarkeit und das Strafrecht?

 

Für die “niedere Gerichtsbarkeit” auf dem Land waren die Grundherrschaften zuständig, in den Märkten und Städten die Markt- und Stadtrichter (Bürgermeister). Aufgaben der Gerichtsdiener waren die Verwahrung, Versorgung und Überstellung von Festgenommenen, aber auch die Unterstützung bei einfachen Ermittlungen. Die Anhaltung erfolgte in den “Gemeindekottern” (kommunalen Gefängniszellen), aus denen das Ausbrechen nicht allzu schwer war. Die “hohe Gerichtsbarkeit” (Blutgerichtsbarkeit) oblag dem Landesfürsten; in dessen Namen konnte auch der Wiener Stadtrichter schwere Leibesstrafen und die Todesstrafe verhängen. Kaiser Josef II. hatte 1787 die Todesstrafe abgeschafft. 1795 wurde sie unter Kaiser Franz II. (I.) wieder eingeführt. Soldaten und Deserteure unterstanden der Militärgerichtsbarkeit.

 

 

Welche Verbindung gab es zwischen Abdeckern, Gerichtsdienern und Soldaten?

 

Durch ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre soziale Stellung gehörten Abdecker, Scharfrichter und Gerichtsdiener (letztere mussten oft auch scharfrichterliche Aufgaben übernehmen) zu den gesellschaftlich Verachteten. Abdecker und Gerichtsdiener waren nicht selten miteinander verwandt. Als Soldaten wurden häufig anstelle von Burschen aus dem Bürgertum liederliche Gesellen rekrutiert, um sie durch die militärische Zwangsordnung zu disziplinieren. Die Dienstzeit eines Soldaten erstreckte sich zu jener Zeit über vierzehn Jahre. Der Militärdienst galt beim Volk als Unglück, daher wurden Deserteure von den Leuten bemitleidet und unterstützt. Die ländliche und oft schutzlose Bevölkerung gewährte oftmals zwielichtigen Herumtreibern Unterschlupf aus Angst vor Brandlegung und Gewalttaten.

 

 

Zita Eder